Untersuchungshaftanstalt Hamburg

Die Untersuchungshaftanstalt in Hamburg – abgekürzt UHA – befindet sich direkt zwischen den Holstenglacis und dem alten botanischen Garten, unweit des Dammtorbahnhofs. Das Gebäude ist in meinen Augen ein Fremdkörper im Stadtzentrum – allerdings einer, der erst auf den zweiten Blick auffällt, denn der vollständige Gebäudekomplex lässt sich nur aus der Luft überblicken.

In der Hamburger UHA werden jedes Jahr mehrere Tausend 
Menschen in Untersuchungshaft, in Zivilhaft (z. B. in 
Erzwingungshaft) oder – nach vorläufiger Festnahme durch die 
Polizei – in Polizeihaft genommen.

Anders als in anderen 
Bundesländern werden vorläufig festgenommene Personen in 
Hamburg bis zur Anhörung durch einen Haftrichter in der 
Untersuchungshaftanstalt untergebracht. Die Polizei übergibt die 
Gefangenen damit bereits vor Erlass eines Haftbefehls an den 
Justizvollzug. Dies ist in der Bundesrepublik einmalig.

Die UHA dient auch als Vorführungsabteilung bei 
Gerichtsverhandlungen. Zu diesem Zweck verfügt die Untersuchungshaftanstalt über unterirdische Verbindungsgänge, die direkt in das benachbarte Strafjustizgebäude führen. Im Gebäudekomplex befindet sich zudem ein eigenes 
Vollzugskrankenhaus (Zentralkrankenhaus-ZKH). Auch dieses 
Gebäude verfügt über unterirdische Verbindungsgänge.

Wie viel sich in der UHA „bewegt“ erkennt man an der folgenden Statistik. Es werden jährlich etwa …

  • 4.000 Gefangene aufgenommen und
  • 3.000 medizinische 
Zugangsuntersuchungen durchgeführt
  • 5.100 Besuche für Gefangene geleistet und
  • 12.400 
Rechtsanwaltsbesuche durchgeführt
  • 7.000 Gerichtsvorführungen abgewickelt
  • 11.000-mal Methadon ausgegeben
  • 30.140 Kilo Kartoffeln und
  • 65.000 Laibe Brot gegessen
  • 2.300 Liter weiße Farbe für das Streichen der Haftraum-Wände 
benötigt

Ich habe die Untersuchungshaftanstalt an einem gewöhnlichen 
Wochentag besucht und ein – für mich – in jeder Hinsicht 
ungewöhnliches Shooting erlebt. Natürlich hatte ich eine Ahnung 
davon, was mich erwarten würde, nur habe ich nicht damit 
gerechnet, welches Maß an Beklemmung ich dabei empfinden 
würde …

Fotografiert habe ich …

  • belegte und leere Zellen – so wie neue 
“Insassen” sie dann vorfinden
  • unterirdische Gänge
  • die Kapelle
  • Besuchsräume
  • Räume, in denen Häftlinge mit Anwälten sprechen
  • die Küche und allerlei anderes

Mein erstes Ziel war, die Dinge, die ich sah und empfand, fotografisch zu verstärken.

Ergänzend möchte ich noch hinzufügen, dass Untersuchungshaft kein Scherz ist. Untersuchungshaft ordnet ein Gericht an, wenn
 jemand einer Straftat dringend verdächtig ist und weitere 
Haftgründe vorliegen: Flucht- oder Fluchtgefahr, 
Verdunkelungsgefahr oder Wiederholungsgefahr. Außerdem darf die Untersuchungshaft im konkreten Fall nicht unverhältnismäßig sein.

Untersuchungshaft bedeutet einen erheblichen Freiheitseingriff …

  • 
Untersuchungsgefangene verbringen unter Umständen bis zu 23 Stunden pro Tag in einer etwa 9 qm großen und sehr einfach 
ausgestatteten Zelle
  • Duschen dürfen sie, je nachdem, wo sie untergebracht sind, zwei- bis siebenmal die Woche
  • Eine Stunde pro Tag gibt es einen Hofgang
  • Eltern dürfen die Untersuchungsgefangenen alle 14 Tage besuchen
  • Ihr/e Frau / Mann einmal wöchentlich

Wenn sich nach Abschluss des Strafverfahrens die Unschuld des Untersuchungsgefangenen herausstellt, greift die vom 
Bundesgesetzgeber vorgesehene Haftentschädigung von 25 Euro pro Tag. Mit diesen 25 Euro sollen „immaterielle Schäden“ (die Zeit in Haft) pauschal abgegolten werden.

Wenn man hinter Gittern eine Uhr hätte, könnten man sich (in 
Einzelfällen sogar deutlich länger als 6 Monate) jede Stunde auf 1,04 Euro „Entschädigung“ freuen (noch abzüglich der 
Verpflegungskosten, für die pro Tag 6 Euro zu zahlen sind).

1,04 Euro, die man stündlich anstelle des draußen vergehenden Frühlings und Sommers gutgeschrieben bekommt? Sind

  • ein Tag im Kreis der Familie
  • ein Tag unter Freunden, oder
  • ein Tag allein im Frühling in der Sonne am Elbstrand sitzend

wirklich nur 25 Euro wert? Stimmt, das war eine rhetorische Frage. Ein Tag in Freiheit ist unbezahlbar. Deshalb sind 25 Euro 
„Entschädigung“ Lichtjahre von einem fairen Ausgleich entfernt.

Meine Meinung

Wenn kein Geld für Gerechtigkeit da ist, dann muss halt mal eine Bank weniger gerettet werden.

Immerhin wissen wir nun, was dem Bundesgesetzgeber, also 
unseren gewählten Volksvertretern, ein Tag im Leben eines 
(unschuldigen) Menschen wert ist: 25 Euro.

Halleluja …

Jörn Daberkow

Ergänzende Links

17 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Hallo Jörn,

    wenn ich mir deine Bilderserie so angucke, dann wird mir ganz anders. Hoffentlich komme ich dort niemals unter, ich will jetzt aber nicht sagen, man weiß ja nie, also immer hübsch artig sein !!!

    Trotz meines beklemmenden Gefühl, sind deine Bilder zum Thema UHA ein Hingucker sondergleichen, wie du das immer hinbekommst, hast wohl einen Schlüssel gemopst um reinzukommen. Deine Recherche ist auch sehr interesant, hätte nie gedacht das dort soviel Farbe verstrichen wird, wie sagt man immer, bei der Enge geht man die Wände hoch, weil zum laufen zu wenig Platz ist.

    Viele Grüße,

    Fred.

  2. Hi Jörn,

    mir geht es ziemlich genau so wie Fred. Deine Entscheidung im freundlichen schwarz/weiss zu fotografieren, lassen die Bilder noch intensiver erscheinen. Du hast es geschafft, es steigt ein sehr großes Gefühl auf: Da will ich nie landen!!!! Um so trauriger erscheint mir die Tatsache, dass es Mitbürger gibt, die sich dort unschuldig aufhalten mussten. Gott was für ein SCHEISS!!! Man kann die Verzweiflung und Aufbäumen gegen die Ungerechtigkeit beim betrachten der Bilder spüren.

    Jörn, schöne Fotos aber es bleibt ein nachdenkliches Gesicht!!!

    Liebe Grüsse

    Peter

  3. Auch wenn du es nicht explizit wolltest, schön sind die Bilder teilweise trotzdem. Wenn auch auf eine schaurige Art. Diese gerade Linien, die kahlen Gänge, da bekommt man schon beim Anschauen Gänsehaut.

    Tolle Serie und gute Informationen.

    Mehr davon!

  4. Hallo Jörn,

    die Vorredner haben schon das Wichtigste gesagt. Ich stimme auch zu, dass die Fotos toll sind, gerade deshalb sind sie wohl auch besonders gruselig. Oben, hinter HAMBURGER FOTOBLOG steht “Hamburg von seiner schönsten Seite”. Zum Glück stimmt das in diesem Fall nicht!

    Die Atmosphäre erinnert mich an die amerikanische Fernsehserie “Oz”. Ich weiß nicht, ob die bei uns gelaufen ist, mein Sohn hat die DVDs aus USA mitgebracht. Lohnt sich, gute Schauspieler (zum Teil bekannt aus LOST u.a.), spannende Stories. Mit Judy Garland hat der Knast “Oz” absolut nichts zu tun. Nix mit “Somewhere over the rainbow”. “Bück’ dich nicht nach der Seife, beim Duschen” passt da schon eher.

  5. Die Photos sind beklemmend, aber auch einfach große Klasse. Als Juristin ist mir der Ort nicht unbekannt. Aber bisher durfte ich immer durch die Rechtsanwaltstür durch das Strafjustizgebäude rein.

    Ich fand diesen Ort auch real immer sehr beklemmend, auch wenn ich beruflich da etwas abgebrühter sein sollte.

  6. Die Fotos sind dir sehr gelungen.

    Aber ich finde, es sieht dort alles sehr gruselig und altmodisch aus. Meine ersten Gedanken waren, was muss man dort als Gefangener nur durchmachen und auch die Angestellten, die ja quasi mitgefangen sind. Dann fielen mir gleich auch noch die Personen ein, die sich dort selber umgebracht haben.

    Hm. Ich habe da so etwas meine Zweifel, ob das für alle Beteiligten so gesund ist. Auch der Krankenstand ist bei den Angestellten ja sehr hoch, wie ich mal gehört hatte. Ich glaube, moderner und schöner würde allen helfen. Vielleicht sollte man etwas in das Gefängnis investieren, auch wenn Hamburg zurzeit kaum Geld hat.

  7. Was sagt mehr über die Qualität von Fotos aus als dass sie berühren und nachdenklich machen? Irgendwie wollen meine Finger “super Fotos” schreiben … und dann wieder auch nicht, obwohl sie es zweifelsfrei sind.

  8. Ich habe zuerst deinen Artikel gelesen, dann die Bilder vorerst in der kleinen Darstellung überflogen und dann gleich die Kommentare gelesen. Nachdem ich dies getan habe, war ich schon sehr gespannt, wie die Fotos wirken, wenn ich sie mir vergrößert anschaue. Wow. Ich bekam genau dasselbe beklemmende Gefühl wie die anderen auch. Das Ziel dieser (sehr gelungenen) Arbeit, wie Du es im letzten Satz Deines Artikels beschrieben hast, hast Du aus meiner Sicht erreicht. Die Bilder besitzen eine sehr stark durchringende Emotionalität.

  9. Exzellente Bilder, die den Betrachter fast zum Begleiter des Fotografen werden lassen! Das bedrückende Gefühl, das sich beim Anschauen mancher Aufnahmen einstellt, ist das Ergebnis einer sehr sensiblen Sichtweise. Mein Kompliment!

  10. Liebe Leute,

    Ihr habt alle gut reden! Nicht jeder kann sich aussuchen, ob er dort einfährt oder nicht. Ich jedenfalls hatte keine Wahl. Eines Tages stand ich in dem mir frisch zugewiesenen Haftraum und die Tür schloß sich hinter mir. Und schon nach dem Mittagessen dreht ich mit den anderen Männern meines Flügels meine erste Hoftour – übrigens gehen Gefangene wohl überall im Kreis gegen den Uhrzeigersinn. Und da dort von uns allen kräftig ausgeschritten wurde und sie mir bei meiner Einkleidung doch tatsächlich nagelneue Schuhe verpasst hatten, hatte ich schon nach 2 Tagen Blasen an den Füßen. Bis zum ersten Einkauf keinen Kaffee und keinen ordentlichen Tee. Und Alkohol überhaupt nicht. Wie sollte ich da abends einschlafen?

    Überhaupt: fast immer 23 Stunden am Tag unter Einschluß, da blieb nur der Blick aus dem kleinen Fenster.

    Auch wenn es komisch klingt: der Aufenthalt in diesen kleinen, versifft wirkenden Vorführzellen, die hier auch abgebildet werden am Ende des unterirdischen Ganges zum Strafjustizgebäude, der fand statt an den Tagen, wo ich Verteidigerbesuch erhielt – alles in allem schon eine Abwechslung in meinem Haftalltag.

    Übrigens saß während meiner Zeit auch der Millionärserbe Falk hier ein. Der war wohl auch eher eine andere Umgebung gewöhnt.

  11. Schön und korrekt von dir, dass du die Menschen damit abschreckst! Das finde ich sehr gut von dir um ehrlich zu sein.

    Ich selber saß in dieser Anstalt und bevor ich drinne war hab ich mir es freundlich vorgestellt doch als ich ankam bekam ich ein richtigen Schock … Die Bediensteten behandeln ein wie Tiere das Essen würde nicht mal ein Hund essen, die Betten sind kaputt man hat keine Ablenkung, denkt die ganze Zeit an die Freiheit und Familie man kriegt noch nicht mal eine Zeitung die erste Zeit sowieso durchdreher dann wenn man Geld hat kann man sich Fernseher kaufen man ist 23 std eingesperrt man sieht die Menschen in der Freiheit und dadurch geht man kaputt in der Anstalt geht man richtig kaputt Folter Knast meiner Meinung nach!

    Ich wünsche es nicht mal meinen Feinden da zu sitzen!

  12. Hey,

    ich wollte mich zunächst einmal für den Einblick in das Leben “hinter Gittern” bedanken. Des Weiteren muss ich sagen, dass die Bilder superinformativ und vielfältig sind. Und dass diese Bilder z. B. Angehörigen (wie mir) sehr viel weiter helfen.

    Ich glaube NIEMAND, außer selber Inhaftierte, kann sich vorstellen was für eine Qual es ist in einem 6-Quadratmeter Raum 23-Stunden am Tag über längere Zeit eingesperrt zu werden!

    Der Anblick deiner Bilder hat mich zu Tränen gerührt, bei dem Gedanken, dass es Menschen gibt, die unschuldig durch diese Hölle gehen müssen …

    Danke

  13. Trotz oder wegen deiner zurückhaltenden Intention teilweise sehr schöne Fotos. Es wäre mal interessant zu sehen, wie ein (langjähriger) Insasse dieses Gebäude fotografieren würde, ob sich seine Perspektive grundsätzlich von der eines Besuchers unterscheidet.

    Ich werde nächste Woche zum ersten Mal als Besucher einen Knast von innen sehen, bin schon sehr gespannt. Vielleicht schaust du dir mal mein, zugegeben Schönheit suchendes, Foto der JVA Münster an?

    • Hallo Ulrich,

      danke für deinen Kommentar und das damit verbundene Lob. Gewiss würden sich die Bilder eines Häftlings (die es dort ja nicht gibt!) von meinen Fotos unterscheiden – aber das gilt vermutlich für jeden, der sich dort mit einer Kamera bewegt.

      Dein Bild habe ich mir angesehen.

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