Menschen aus Hamburg – Jörg Hein

Jeden Tag gestalten Menschen wie “du und ich” ihr und unser Leben in Hamburg – sei es im Job, über ehrenamtliche Tätigkeiten oder einfach durch ihre Arbeit, bzw. ihre Präsenz. In diesem Interview stelle ich Ihnen Jörg Hein vor. Jörg ist 36 Jahre alt, er wurde auf Sylt geboren und lebt in Hamburg-Altstadt.

Jörg, was machst du beruflich?

Ich arbeite als Arzt in Niendorf. Es ist eine kleine, gemütliche Praxis, in der ich mich als Weiterbildungsassistent für meine Facharztprüfung zum Allgemeinmediziner vorbereite. Viele Worte für den passenderen Begriff: Hausarzt.

Wie lange arbeitest du schon in deinem Job?

Mein Studium habe ich vor 5 Jahren beendet. Seitdem habe ich auf verschiedenen Abteilungen im Krankenhaus sowie bei einem Chirurgen und einem Kinderarzt gearbeitet. Die Arbeit mit den kleinen Patienten hat mir am meisten Spaß gemacht. Die sind dir gegenüber einfach freundlich und wohlgesonnen. Es geht ihnen nicht gut – und du sollst ihnen helfen.

Was sind deine Ziele?

Eine eigene Praxis, das würde mir gut gefallen. Nur ist das nicht ganz so einfach, wie ich mir das gedacht habe. Denn nach meinem Ideal zu arbeiten – behandle jeden so, wie du selbst gerne behandelt werden möchtest – wird einem derzeit nicht unbedingt leichter gemacht. Es sind gerade Zeit zum Zuhören und Eingehen auf den Anderen, die durch die derzeitigen Umstände im Gesundheitswesen nahezu unmöglich gemacht werden.

Jeder Kassenpatient (zu denen ich auch gehöre) kann ein Lied davon singen.

Wo siehst du Hamburgs Stärken?

In seiner so oft zitierten Weltoffenheit!

Hamburg ist einfach ein Anlaufpunkt für unendlich viele Menschen und damit Meinungen. Da ist das ganze Gerede von der neuen weltstadtmäßigen Hafen City in meinen Augen modischer Schnick-Schnack.

Das Tolle ist, dass es hier viele Orte gibt, an denen Menschen aus den verschiedensten Ländern, auseinanderklaffenden Schichten oder unterschiedlichsten Orientierungen aufeinandertreffen. Zum Beispiel auf der Reeperbahn, in der Uni, in Altona oder in der Schanze. Das Ganze dann noch in einer grünen Umgebung mit viel Wasser.

Doch diese Mischung, diese Weltoffenheit ist in Gefahr.

Wo hat Hamburg Schwächen?

Naja, ich wills mal vorsichtig formulieren. Der derzeitige Senat trägt nicht gerade dazu bei, die schon erwähnte interessante Mischung in dieser Stadt aufrechtzuerhalten oder gar zu fördern.

Da wird viel für – insbesondere bauliche – Prestigeprojekte getan. Die eigentliche Unterstützung für die Bürger tritt aber immer mehr in den Hintergrund. Das geht bei den Unigebühren los und findet seine Fortsetzung in Kürzungen verschiedenster caritativer Einrichtungen.

Der unkritische Verkauf des LBK ist ein weiterer negativer Höhepunkt und nun auch noch die Änderung des Wahlrechts!

Das mag jetzt vielleicht alles naiv und nach “Roter Zora” klingen. Aber vieles, was die vorherigen SPD-Regierungen oder auch der rot-grüne Senat an sachlichen Leistungen und vor allem gedanklichen Inhalten geschaffen haben, hat zu dem toleranten und weltoffenen Ruf Hamburgs beigetragen.

Die neuen neoliberalen Winde der letzten Jahre machen vieles davon zunichte.

Hättest du gern mehr Möglichkeiten, das Leben und die Bedingungen in Hamburg aktiv mit zu gestalten?

Wenn man will, kann man hier genug bewegen. Du kannst in eine Partei gehen, du kannst dich ehrenamtlich betätigen. Die Hamburger Tafel ist zum Beispiel eine klasse Sache. Aber ich glaube, dass jeder für sich, in seinem eigenen Umfeld am meisten erreichen kann. Wenn ich auf mein Gegenüber eingehe und in direkten Dialog trete, kann ich mehr erreichen, als mit riesigen Transparenten. Und das geht in einer Arztpraxis ebenso gut wie auf’m Bau.

Was würdest du ändern, wenn du in der richtigen Position sitzen würdest?

Eine Lizenz zum Gelddrucken habe ich natürlich auch nicht – und die wäre für die Unterstützung sozialer Programme nicht schlecht. Aber ich würde die Leute fragen, welche Prioritäten sie haben, worin sie ihr (steuerliches) Geld investiert sehen möchten. In neue Hochglanzpaläste mit Elbblick oder aber soziale oder auch umweltpolitische Dinge.

In die Diskussion über die Gesundheitsreform will ich hier jetzt nicht tiefer einsteigen, da gibts sicher auch keine Stammtischlösung – nur vielleicht soviel: die Menschen müssen erfahren, dass, wenn sie die luxoriöse Versorgung von heute aufrechterhalten wollen, auch mehr Geld bezahlen müssen. Geld, das dann aus anderen Lebensbereichen abgezogen werden muss. Ich kann eine first-class Behandlung nicht für lau bekommen. Das ist wieder eine Frage der Priorität – möchte ich mein Geld für 3 Urlaubsreisen im Jahr, 2 Autos und das neueste High-Tech-Handy ausgeben – oder lieber für meine Gesundheit.

Ach ja, und eine Sache würde ich, als direkt Betroffener, sofort verändern: zwischen Holstenstraße und Rödingsmarkt wieder die Busspur für den 3er einrichten, die schwuppdiwupp nach dem Regierungswechsel in Hamburg übermalt wurde.

Was in Hamburg gefällt dir am Besten?

Schau’ dich doch um – hier, wo wir gerade sind – auf dem Wasser.

Welcher Ort gefällt dir überhaupt nicht?

Die Mönckebergstraße, nein, halt, eigentlich jeder Platz, an dem eines dieser furchtbaren Hummel-Hummel-Männchen steht.

Vielen Dank für das Gespräch – und alles Gute für deine Pläne!

Jörn Daberkow

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Fotografie und Musik sind ein substanzieller Teil meines genetischen Codes und keine freie Entscheidung.

9 Kommentare » Schreibe einen Kommentar

  1. Stichwort Gesundheitsreform: Ich glaube, dass das eigentliche Problem die Pharmakonzerne sind. Man sollte ggf. durch Preisbegrenzungen die Kosten im Gesundheitswesen senken. Außerdem gibt es hier viel zu viele und viel zu teure Medikamente.

    Helge

  2. Behandle jeden so, wie du selbst gerne behandelt werden möchtest

    Ganz wichtig, sollte man nie vergessen. Leider fällt das vielen Menschen sehr schwer.

  3. Eine sehr interessante Seite. Vielleicht kommen ja noch weitere “Hamburger” Menschen zu Wort.

    Was die Ausgaben durch den Senat für Prestigeprojekte angeht, muss ich leider zustimmen. In der “schönsten” Stadt der Welt gibt es wirklich genügend Probleme, die man auch mit Staatsgeldern mildern könnte.

  4. Ich finde Jörg Hein echt cool….er nimmt jeden so, wie er ist und ist total lieb. Er kann voll süß sein. Mit seinem lächeln sind die Welt wieder gut aus, auch wenn man wie ein Krebs aus sieht. Er ist ein Toller Arzt keine frage!!!!

    Schade, dass er nicht in meinen Alter ist, sonst wär er sofort weg!….MEINS:)

    Ich wünsche Ihnen viel Spaß in Ihrem Leben und alles Gute …

    LG… Ihre Patientin KW

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